Im Zietenaugust summen die Bienen
Hinter blauen Fenstern raschelt Papier;
eine Druckerpresse schickt mit sanftem Rattern frische Radierungen in die Welt.
Nebenan im Späti brummt ein Kühlschrank,
und nach sanftem Plopp klirren Kronkorken auf den Boden.
Nikola Tesla wäre glücklich im gleichnamigen Club.
Partygelächter und Bässe durchziehen die Nacht.
Auf der Hainstraße streiten zwei Frauen um einen Parkplatz,
währenddessen am Discounter Einkaufswagen ineinander scheppern.
Spatzen krakeelen um Brotkrumen herum;
ein Kind ruft weinend nach seiner Mutter.
Sanfte Sprachnachrichten wechseln die Smartphones der Teenager,
kleine Beschimpfungen die Straßenseiten.
Verkehrsgetöse an der Fürstenstraße –
Gemüsehändler preisen lautstark die Vorzüge ihrer Ware,
Sprachfetzen in arabisch und russisch wehen hin und her;
nebenan quietscht eine Wippe.
Am Lessingplatz toben Kinder übers Klettergerüst;
ein Tischtennisball klackert vor sich hin,
und der Chor der Markuskirche probt ein weiteres Halleluja.
Und, hören Sie noch mehr?

I HAVE NEVER SEEN A SOUND

R. MURRAY SCHAFER

Der Hamburger Klangkünstler wurde für das
Kunstprojekt „Dialogfelder 2020 – Von Sinnen“
eingeladen, um eine Arbeit im urbanen Raum
über „das Hören“ zu entwickeln.

Heiko Wommelsdorf lädt die Besucher ein, von
flüchtig Hörenden zu Zuhörern zu werden. Er
lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die leisen, fast
un“sicht“baren Klänge der Stadt, die oft überhört
werden und somit verborgen bleiben.

Lüftungsschächte, Stromkästen, Ampeln und andere
unscheinbare Geräuscherzeuger stehen im
Zentrum seiner Arbeit mit dem Titel „Schallleistungspegel
Chemnitz Sonnenberg“.

Angelehnt an die EU- Etikettierungen elektronischer
Haushaltsgeräte und Maschinen mit Dezibelwerten
wurden von ihm auf dem Sonnenberg
auch solche Geräte vermessen, die normalerweise
nicht in den Richtlinien zu Lautstärken und Leisewerten
erscheinen.

Nach der Dezibelmessung wurden sie mit einem
Aufkleber markiert. Mithilfe eines Lageplans kann
man sich nun auf eine akustische Entdeckungstour
über den Sonnenberg begeben und an verschiedenen
Orten diesen überraschenden, surrenden,
brummenden, tickenden und klappernden
Geräuschen lauschen.

Am Anfang steht das Hören.


Henriette Schneidewind (Galerie Borssenanger)
In: Schallleistungspegel Chemnitz-Sonnenberg, Klub Solitaer e.V., Flyeralarm, Würzburg 2020