Angetrieben direkt durch eine Kurbel oder indirekt durch eine aufgezogene Feder dreht sich ein Zylinder. Zur Tonwalze wird dieser durch Stahlstifte, die einzelne Zinken eines Stahlkamms anreißen und in Schwingung versetzen. Jede Tonzunge am Tonkamm hat eine bestimmte Länge und kann so einen bestimmten Ton erzeugen: Pling- Plong. Die Anordnung der Stahlstift e bestimmt die Melodie. Spieluhren – wer kennt sie nicht ? Wer hat nicht einmal an der kleinen Kurbel gedreht oder am Aufziehrädchen, wer hat nicht an Schnüren gezogen und „Schlaf Kindlein schlaf“ oder „Für Elise“ erklingen lassen. Pling- Plong. Bei Heiko Wommelsdorf wird das vertraute Kindereinschlafspiel zu etwas anderem. Ähnlich wie Leuchtstoffröhren oder Wassertropfen nimmt er Spieluhren als vorgefundenes Material, das einen akustischen und visuellen Erinnerungsraum eröffnet. Mehr oder weniger bearbeitet er das Material, um zu seinen Kompositionen zu kommen. Vielfach überträgt er den akustischen Loop ins Visuelle in seine begehbaren, interaktiven und unmittelbar, also live erzeugten Kompositionen / Klanginstallationen. Holz stehlen säumen Wege des Parks. An ihnen sind Spieluhren befestigt. Heiko Wommelsdorf hat diese Spieluhren analog bearbeitet, umkomponiert. Zieht man an den Schnüren, spielen sie Fragmente der oben erwähnten Kompositionen. Zugleich harmonieren sie unter einander und ergeben gleichzeitig spielend eine neue Komposition. Durch Mitspieler entstehen immer wieder neue Klangmuster von unbestimmtem Anfang und Ende. Flaneure markieren ihren Weg akustisch, hören den Klang im Weiter gehen stetig leiser, bis er schließlich verstummt.

In dieser Klanginstallation korreliert die Bewegung, eigentlich die Wegstrecke mit Spieldauer und erzeugtem Klang, woraus ein linear erfahrbares Klangmusterhervorgeht. Ein eher in den Raum hineinragender Klangteppich entsteht hingegen bei den Installationen, bei denen sich die Spieluhren an einer Wand befinden. Jeweils entspricht die akustische Erfahrung der visuellen. Erinnerung wird evoziert, scheinbar wissen wir schon, was wir hören, wären da nicht die minimalen Eingriffe, die neu hören und neu sehen lassen, wäre da nicht der immer wieder andere Körperschall durch unterschiedliche Wände – Fachwerk, Beton, Holz – wäre da nicht die überraschende und ganz neue Raumerfahrung.

Zunächst rein visuell sind die Lochstreifen mit ihrem poetischen Assoziationsraum zwischen analoger und digital er Technik erfahrbar. Heiko Womme lsdorf bittet Freunde um Stanzungen . Auch hier ein Spiel, zunächst mit Schrift, vielleicht Sprache. Es wundert nicht, dass Womme lsdorf die Sammlung der Lochstreifen als eine Art Poesiealbum begreift. Spiel also auch hier mit der Erinnerung. Verwandeln sich die Notationen der Freunde durch Lochstreifenspieluhren in Töne, entsteht ein Klangteppich sehr besonderer Art – wir hören, was wir sehen oder vielleicht ist es doch etwas ganz anderes.


Dr. Anne Mueller von der Haegen (Allgemeiner Konsumverein, Braunschweig)
In: Heiko Wommelsdorf – 2007-2012, Heiko Wommelsdorf, LASERLINE Druckzentrum, Berlin 2013