Der ausgebildete Holzbildhauer Heiko Wommelsdorf, 1982 in Bremen geboren, ist nach seinem Studium bei dem New Yorker Media-Künstler Arnold Dreyblatt seit 2009 Meisterschüler bei Ulrich Eller. Er verfolgt in seinen Arbeiten das Prinzip des Phasings, jenes Phänomen aus der Steinzeit experimenteller Minimal Music deren Verfahren mit Schallplattenspielern, Tonbandgeräten und Kassettenrekordern entwickelt wurden. Im Unterschied zu Steve Reich, Terry Riley, Tony Conrad und anderen überträgt Wommeldorf das akustische Prinzip des Loops ins Visuelle.

So entstand seine Arbeit „TV Phase“ aus der Auseinandersetzung mit Neuer Musik und den Erfahrungen, die er beim Produzieren von Klangformen (Klavier, Gitarre, Gesang und software-basierte Instrumente) sammeln konnte. Alles klingt wie z.B. Game Boy, Soundmonitor (C64), sowie mehrere PC- und Apple Programme und Aufnahmen von Musik. Klang- und Videoinstallationen wurden aus ausrangierter Elektronik erstellt. Stecksysteme, ausrangierte Objekte, analoge Hardware. Bereits in jungen Jahren wurden alte Radios vom Sperrmüll mit nach Hause genommen, um deren Innenleben zu erkunden. Sperrmüll, Flohmärkte und durchstöbern elektronischen Sondermülls haben im Laufe der Zeit eine große Sammlung von elektronischen Geräten, von Gegensprechanlagen, Babyphones, Super-8- Diaprojektoren, Fernsehern, manipuliertem Kinderspielzeug (Circuit Bending), Lautsprechern etc. angehäuft.

TV Phase

Wie in vielen künstlerischen Arbeiten, arrangiert Wommelsdorf ausgemusterte Geräte zu Installationen. In diesem Fall sind es Röhrenfernseher älterer Generation. Diese werden zu Tonerzeugern (Instrumenten) einer Partitur, eines eigens erstellten Notensystems. In einem ca. 40 m² großen Zimmer wurden mehrere Fernseher aufgestellt, deren Bild und Tonrauschen Material wurde. In schneller Folge wurden schwarze Flächen auf weißen Grund gebracht. Bilder entstanden durch Magnetfelder der Röhren der Fernseher. Die Magnetfelder beeinflussen ihrerseits die Verstärker der Fernseher und so entstanden – ähnlich wie bei Kubisch – elektromagnetische Störfelder. Dieses Phänomen macht die Frequenz des Rauschens künstlerisch deutlich. Fernseher als Rauschgeneratoren. Je nach Hersteller, Größe, Nutzungsdauer und Art ihrer Verstärker variieren Tonhöhen und Intensität. Es entstehen Bild- und Tonfolgen, die aneinandergesetzt als Melodie erscheinen. Komponierte mediale Werke des Zufalls. Aus dem Geiste Steve Reichs‘ Tonbandkomposition It‘s Gonna Rain. Die Verschiebung akustisch/visueller Phasen erzeugt Muster und melodische Fragmente deren Anfang und Ende beliebig ist.


Dr. phil. Dr. Ing. habil. Christoph Metzger (Musikwissenschaftler und Kurator)
In: HBK Katalog Volume 5, roco druck GmbH, Braunschweig 2010